Kawasaki Ninja ZX-10 R: Unglaubliche
Kraftentfaltung für ein Straßenmotorrad
11. Mai 2004 09:09
Die Ninja ZX-10 R von Kawasaki bietet beängstigende Leistungsdaten. Einem Gewicht von 170 Kilo stehen 175 PS gegenüber.
Von Thilo Kozik
Kein zweites Modell hat die Anhänger der «grünen Marke» Kawasaki auf den Frühjahrsmessen so fasziniert wie die Ninja ZX-10R. Kein Wunder, schließlich strahlt das neue Flaggschiff der Kawasaki-Supersportfamilie schon im Stand kompromisslose Sportlichkeit aus.
Unglaubliches Potenzial
Das aggressive Styling mit zackiger Verkleidung mit luftiger Silhouette, filigranen Sechsspeichenrädern, einem keck in die Luft gereckten Schalldämpfer und dem mittigen Lufteinlass in der Nase spricht eine deutliche Sprache. Wie auch die Auspuff-Note: Kaum angelassen, faucht der kurzhubig ausgelegte Vierzylinder durch die komplett aus Titan gefertigte Auspuffanlage, lediglich den Schalldämpfer ziert eine ein Millimeter dicke Alu-Blende.
Doch ist das nur das äußere Zeichen eines unglaublichen Potenzials: Volle 175 PS versprechen die Ingenieure für den mit 12,7 zu 1 extrem hoch verdichteten Hightech-Motor, der von hochfein zerstäubenden Einspritzventilen versorgt wird und über Auslassventile aus Titan ausatmet. Aus 998 Kubikzentimeter Hubraum schöpft er zudem 115 Newtonmeter Drehmoment, das sind Werte, die fast Angst machen können.
Druck ohne Ende
Um gefährliche hinterlistige Leistungsattacken zu vermeiden und eine gleichmäßige Leistungsentfaltung zu erreichen, spendierten ihm die Techniker eine zweite Drosselklappe. Computer gesteuert gibt diese den Durchlass stets optimal frei, so dass weder Verschlucken noch übertriebene Drehmomentberge den Fahrgenuss stören. Das Ergebnis ist imponierend: Bei fast beliebiger Drehzahl produziert das Aggregat Druck ohne Ende, jeder Gasgriffdreh wird völlig proportional «ohne Ausreißer» in Vortrieb umgesetzt, dabei bleiben heimtückische Drehmomentattacken völlig aus.
Fast nach Belieben lässt sich dieses Powerbike aufs Hinterrad stellen, Kurven ohne schwarze Striche sind mit der ZX-10R nur schwer vorstellbar. Diesen radikalen Charakter macht die größte Ninja seinem Treiber schon auf Anhieb unmissverständlich klar – die Sitzposition fordert zum Schnellfahren heraus, der kehlige Auspuffsound aus dem steil stehenden Schalldämpfer und der ungeniert zur Schau getragene raue Motorlauf unterstützen diesen Anspruch.
Das enorme Potenzial der Kawa will gefordert und gleichzeitig beherrscht werden, was in erster Linie eine Sache des Kopfes ist. Insbesondere auf abgesperrter Piste macht die Grüne einen Heidenspaß, doch nicht nur auf der Start-Ziel-Geraden. Dafür haben ihm die Ingenieure ein gerüttelt Maß Fahrbarkeit mit auf den Weg gegeben. Eine extrem lange Schwinge hält überbordende Wheelie-Freuden in Schach, ein ultrakompakter Rahmen im 600er Format beschert der Tausender eine unglaubliche Agilität.
Mehr Leistung als Gewicht
Hinzu kommt ein leichtfüßiges Trockengewicht von 170 Kilo, was die Relation von Leistung und Gewicht auf unter eins drückt! Selbst engste Passagen und kniffligste Stellen meistert die Grüne mit Bravour. Hinzu gesellt sich eine nützliche Anti-Hopping-Kupplung, die beim Herunterschalten das Rückdrehmoment des Motors ausgleicht und so beim Schalten keine Unruhe ins Fahrwerk bringt. Eine sehr lang übersetzte erste Fahrstufe und ein spielerisches Handling erlauben das Durcheilen der engsten Schikanen im Sauseschritt, beim Hochschalten verlangt die nächste Stufe jedoch nach einem kräftigem Tritt.
Wird dabei heftig am Gas gedreht, wandert die Front himmelwärts, wird leicht und der Lenker beginnt hin und her zu schlenkern. Nicht bösartig, aber dennoch etwas beunruhigend – die ZX-10R bräuchte für solche Manöver eigentlich einen Lenkungsdämpfer. Davon abgesehen agiert das Fahrwerk dank der unglaublich mächtigen Rahmenoberzüge tadellos bis herausragend: Glasklares Feedback, superstabil und sehr kurvenneutral, fast fühlt man sich wie auf einem Rennmotorrad.
Obwohl mittlerweile viele Supersportler der unterschiedlichsten Hersteller auf radial montierte Bremszangen schwören, spielen die Kawa-Bremsen in einer eigenen Liga – und das nicht nur wegen der ungewohnten Wave-Scheiben. Bissig, kontrollierbar, knackig und absolut fadingfrei, kurzum: mächtig verzögern die Vierkolben-Festsättel! Sogar im normalen Straßenverkehr macht sich dies positiv bemerkbar, im Gegensatz zur viel zu harten Fahrwerksabstimmung. Auf Landstraßen dritter Ordnung führt sich die Ninja auf wie beim Bullriding, Bodenwellen und Asphaltversätze leitet sie ungefiltert an ihren Fahrer weiter.
Das ist nicht nur unkomfortabel, die Kawa liegt einfach nicht so satt, wie sie sollte. Doch dieses Gerät gehört einfach auf die Rennstrecke, dafür ist sie gemacht, dort ist sie geboren. Wer dort auf kompromissloses Feilen an der Rundenzeit Wert legt, für den sind die gut 13.000 Euro gut angelegt.