Fahrbericht Kawasaki ZR-7

-- WICHTIGES AN DIESER STELLE --

Stammtische: KawasakiS NRW 07.12. Willich

  • Fahrbericht
    Kawasaki ZR-7 - Fluchtversuch

    Aus bma 999

    von Klaus Herder

    Das Leben vieler deutscher Männer zwischen 35 und 45 sieht recht übersichtlich aus: Reihenendhaus („in 15 Jahren ist es bezahlt”), VW Passat Variant mit Kindersitz, ersatzweise Renault Espace (natürlich Turbodiesel und mit Vollkasko), eine nette Frau, ein bis zwei Kinder, ein netter Angestellten-Job und zwei nette Urlaube im Jahr („Dänemark, wegen der Kinder; Dominikanische Re- publik, ist ja mittlerweile so günstig”).

    Manchmal, wenn ihnen vor lauter Heimeligkeit die Decke auf den Kopf fällt, wird diesen Männern bewußt, dass ihr Leben vor 15, 20 Jahren nicht unbedingt übersichtlicher, dafür aber vielleicht etwas aufregender war: Da wurde willenlos an Autos und / oder Motorrädern geschraubt, da zog man mit den Kumpels über die Dörfer, da genügten Schlafsack und Zweimannzelt als Urlaubsausrüstung. Natürlich möchte heutzutage keiner dieser Männer wieder so wenig Geld wie vor 15, 20 Jahren in der Tasche haben oder sich mit den Technik-Problemen der 70er- und 80er-Jahre herumschlagen müssen. Aber mal ab und an für zwei, drei Stunden flüchten - das wäre doch ganz nett.

    Solche Leute sind potentielle Wiedereinsteiger und für die Motorradindustrie höchst interessant, denn die kaufen gerne neu. Zwei völlig verschiedene Gruppen von Comeback-Bikern lassen sich unterscheiden: Diejenigen Grufties, die den Klasse 1-Führerschein zwar irgendwann mitgemacht, ausser der Fahrschulmaschine aber nie wieder ein Motorrad angefasst haben. Für diese Typen sind die Chopper und Cruiser gedacht. Sehen wichtig aus, erwecken beim Nachbarn den Eindruck einer Harley und fallen auch im Fahrbetrieb nicht unangenehm auf, weil sie dann doch kaum bewegt, und wenn, um die Kurve getragen werden.

    Und dann gibt es noch die Midlifecrisis-Gebeutelten, die sich früher an einer CB 750, Z 900 oder Strich-Fünfer den Wolf geschraubt haben und die heute am liebsten damit durch die Gegend blasen würden, womit sie sich damals fast die Ohren abgefahren haben. Für die gibt's die Naked Bikes vom Schlage einer Kawasaki Zephyr. Die lässt nun schon seit 1991 Senioren und Altgebliebene in seliger Erinnerung schwelgen, doch die Zahl derer, die die formalen Zephyr-Vorbilder noch aus eigener Fahrpraxis kennen, wird immer kleiner. Eine etwas modernere Zephyr musste also her, um die jüngeren unter den Alten anzusprechen.
    Kawasaki ZR-7 heisst das gute Stück und kostet mit 11.260 Mark gleich mal 1340 Steine weniger als die bis auf weiteres im Kawa-Programm verbleibende Zephyr 750. Ein solcher Kampfpreis, der ganz klar in Richtung Suzuki Bandit 600 / GSX 750 zielt, war natürlich nur dadurch zu realisieren, dass möglichst viele Teile aus dem Regal gegriffen werden konnten. So stammt der Motor vom Schwestermodell Zephyr (Anmerkung für die ganz alten Hasen: Der Zephyr-Motor basiert, wie wir natürlich wissen, wiederum auf dem Z 650-Motor von 1976 - man beachte den über Jahrzehnte gleichgeblie- benen Hub von 54 Millimetern).

    So ganz ohne Modellpflege ging es dann aber doch nicht ab. Die Kawa-Techniker verbesserten Ölversorgung, Werk- stoff-Qualität, Steuerkettenführung und Geräuschentwicklung. Den luftgekühlten, unveränert 76 PS (wahlweise 34 PS) starken Viererpack hängten sie in einen zwar neukonstruierten, dabei aber recht simplen Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen und montier- ten eine konventionelle Telegabel ohne Einstellmöglichkeiten und eine Einfachst-Schwinge aus Stahlprofilen. Deren Zen- tralfederbein lässt immerhin Spielereien in Sachen Federbasis und Zugstu- fendämpfung zu. Räder, Bremsen, Instrumente, Hebel und Armaturen - das alles sind bekannte und bewährte, doch wenig aufregende Teile namhafter Zulieferer.

    Die geringen Entwicklungskosten ließen offenbar noch etwas Spielraum bei der Ausstattung, denn die fällt überraschend reichhaltig und qualitativ teilweise recht hochwertig aus: Brems- und Kupplungshebel lassen sich der persönlichen Finger-Reichweite anpassen, eine Tankuhr komplettiert die Instrumente, der Hauptständer ist nicht nur serienmäßig, sondern auch goldrichtig übersetzt, und die Auspuffanlage bleibt dank Edelstahlmantel dauerhaft rostfrei. Drosselklappen-Sensoren an den Keihin-Vergasern sollen die Gasannahme verbessern und ein Sekundärluft-System soll das Umwelt-Gewissen beruhigen.

    Ganz besonders auffällig ist, dass sich die Kawasaki-Ingenieure offenbar viele Gedanken über die Arbeitsplatzgestaltung gemacht haben - das ist keine Selbstverständlichkeit in der Discount-Mittelklasse. So ist die ZR-7 trotz 229 Kilogramm Kampfgewicht ein recht zierliches Motorrad, mit dem Menschen zwischen 1,65 und 1,90 Meter Körperlänge hervorragend klarkommen. Der Tank fasst zwar üppige 22 Liter, ist aber trotzdem so schmal tailliert, dass der Knieschluss perfekt ausfällt und auch kurzbeinige Menschen beim Ampelstopp sicheren Stand finden können. Die Sitzbank ist goldrichtig gepolstert und lang genug, um auch zwei Personen dauerhaft gute Platzverhältnisse zu bieten. Zwei stabile Haltegriffe erfreuen während der Fahrt den Sozius und beim Rangieren den Fahrer. Der Abstand Sitzbank/Fußrasten, die Lenkerkröpfung, die Spiegel-Anbringung, die Instrumentengestaltung - das alles passt hervorragend, auf der ZR-7 fühlt sich fast jeder auf Anhieb wohl.

    Der Kaltstart erfordert etwas Geduld. Zwar springt der Zweiventiler auf Knopfdruck sofort an, benötigt anschließend aber eine relativ lange Warmlaufphase, um sauber Gas anzunehmen. Laut Kawasaki wurde das Getriebe etwas überarbeitet, an der Schaltbarkeit hat sich im Vergleich zur Zephyr aber kaum etwas geändert. Gangwechsel sollten auch weiterhin konzentriert und mit Nach- druck vorgenommen werden, an die narrensichere Leichtgängigkeit modernerer Konstruktionen reicht das ZR-7-Fünfganggetriebe nicht heran - was kein großer Nachteil, sondern eher eine Gewöhnungssache ist. Das Getriebe ist sehr kurz übersetzt, was der ZR-7 besonders in den unteren Gängen eine überraschende Dynamik verleiht. Von 0 auf 100 in 3,7 Sekunden - das ist für ein 76 PS-Bike recht ordentlich. Besonders im mittleren Drehzahlbereich zwischen 3000 und 6500 U/min ist der Punch der ZR-7 schwer beeindruckend. Bis 8000 U/min. hält der vehemente Vorwärtsdrang an, darüber hinaus wird's zäh. Wer es partout wissen will und den Gasgriff auswringt, kommt mit etwas Anlauf knapp über 200 km/h.

    In allen Bereichen läuft der Vierzylinder leiser und deutlich vibrationsärmer als der Zephyr-Motor. Das „leise” bezieht sich auf mechanische Geräusche, denn vom Kawa-typischen, kernigen Auspuffsound hat auch die ZR-7 eine ganze Menge zu bieten. Der Griff zum Brüllrohr aus dem Zubehör ist damit zumindest für normal veranlagte Biker absolut entbehrlich.

    So flott es vorangeht, so vehement lässt sich die ZR-7 auch verzögern. Die beiden 300 mm-Bremsscheiben im Vorderrad werden von Zweikolben-Schwimmsätteln in die Zange genommen. Die absolute Wirkung ist zwar gar nicht so gewaltig, doch durch die gute Dosierbarkeit und den exakt zu spürenden Druckpunkt gewinnen auch Anfänger (und Wiedereinsteiger) wertvolle Meter. Im Hin- terrad steckt eine 240 mm-Scheibe, die gut unterstützt und nicht zum Überbremsen neigt.

    Die entspannte Sitzposition sorgt dafür, dass man zur ZR-7 recht schnell absolutes Vertrauen fasst. Die Kawa dankt es einem durch ausgeprägte Handlichkeit und gute Rückmeldung durch das komfortabel abgestimmte Fahrwerk. Wer mutig wird und die Fuhre flott um die Kurven schwenkt, braucht keine Angst vor frühzeitig aufsetzenden Bauteilen haben. Wenn überhaupt, werden die Fussrasten sehr spät spanabhebend tätig. Die tollen Bridgestone BT 57-Gummis sind dann haftungsmäßig immer noch nicht am Ende und verursachen dank ziviler Abmessungen (120/70 ZR 17 vorn, 160/60 ZR 17 hinten) auch kein Aufstellen beim Bremsen in Kurven.

    Solange sich der Fahrbahnbelag faltenfrei zeigt, ist mit der ZR-7 gut Kurven räubern. Kommen dann allerdings bei sportlicher Gangart Unebenheiten unter die Räder, offenbart sich eine ihrer wenigen Schwächen: Die Vorderradgabel ist deutlich zu schwach gedämpft, bereits kleine Fahrbahnverwerfungen bringen spürbar Unruhe in die Vorderhand, Fahrgefühl und Zielgenauigkeit leiden. Scharfes Bremsen zwingt die Gabel zudem fast bis zum Anschlag, die weichen Federn lassen kaum Reserven. Sportliche Naturen werden also nicht umhin kommen, verstärkte Gabelfedern zu montieren und etwas mit Gabelöl zu experimentieren - mit 200 bis 250 Mark Materialkosten müsste man dabei sein. Ruhigere Charaktere und zum gemütlichen Landstraßen-Bummeln neigende Fahrer kommen aber mit der Grundabstimmung vermutlich ganz gut klar. Die Heckpartie bleibt unter allen Bedingungen erfreulich ruhig; die komfortable, aber nicht zu softe Abstimmung des Zentralfederbeins passt eigenlich immer.

    Die ZR-7 hat eine Eigenschaft, die vermutlich auch auf einen Großteil ihrer gestandenen Fahrer zutreffen wird: sie ist ziemlich trinkfreudig. Unter 6,5 Liter auf 100 Kilometer macht sie es praktisch nicht. Wer es etwas zügiger angehen lässt, fackelt locker über acht Liter Normalbenzin ab. Das ist zwar deutlich zuviel und politisch ganz und gar nicht korrekt, lässt sich aber kostenmäßig verschmerzen. Schließlich sind Wiedereinsteiger meist über 35 Jahre alt und fahren sonst Passat TDI - da spart man schließlich schon genug.

    Nachzulesen hier

  • Tach auch...

    Kann man immernoch unterschreiben das Ganze.
    Nur die Anmerkung über Schräglagenfreiheit und höchstens aufsetzen der Fussrasten passt leider überhaubt nicht.
    Meine hat eigendlich schon überall mal angeschrappt...
    Seitenständer, Hauptständer, Fussraste, Auspuffflansch....

    Dennoch ein echt schönes, gelungenes rundes Motorrad.

    Andreas

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